Autor:
Verlag:
btb
Jahr:
2003
Seitenzahl:
221
ISBN:
9783442726783
Medium:
Taschenbuch
Sprache:
Deutsch
Zustandsbeschreibung
einmal gelesen, in ordentlichem Zustand, etwas vergilbt (Regalware), Nichtraucherhaushalt
Artikelbeschreibung
Produktbeschreibungen
Aus der Amazon.de-Redaktion
Vom Verschwinden der Heimat
Glatt könnten sie als Protagonisten von Schröders Neuer Mitte durchgehen: Der 42-jährige frühpensionierte Geschichtslehrer, Wirtssohn aus der süddeutschen Provinz, und seine Gattin Gabi, die hanseatische Handchirurgin. Seit zwanzig Jahren leben sie in ihrer Ehe, der "krisengeschüttelten Branche" schlechthin, nebeneinander her. "Sie sei für Schröder, sagte mir meine Frau. Ich war eingeschnappt, denn ich dachte, sie wäre für mich."
Als in jenen letzten Tagen der Ära Helmut Kohl auch für die in Köln lebenden Eheleute das Licht im "Darkroom" ihrer Liebe für immer verlischt, naht unerwarteter Besuch vom Balkan: Der hausierende Schrotthändler Adrian möchte ein Auto zum Ausschlachten. Da kein Gebrauchter zur Verfügung steht, räumt Adrian die Existenz des Lehrers aus: Er nimmt dessen Frau und Geld; der schwarz-rot-gold gestreifte Adidas-Trainingsanzug wird alsbald gegen ein Boss-Sakko getauscht.
Trotz Erpressung und Terror fühlt sich das Mittelstands-Paar von Adrian erotisch angezogen, man erwägt gar eine "Ehe auf Sandwich-Basis". Adrian ist es auch, der dem Vorruheständler und seiner Arztgattin rät, ihren Hochzeitstag in Überlingen zu verbringen, in dem Hotelbett, wo vor 20 Jahren alles begann.
Damit aber hat Stadler seinen Ich-Erzähler geschickt in jene literarische Landschaft zwischen Meßkirch und Bodensee verpflanzt, aus der er selbst stammt und um die schon seine Roman-Trilogie Ich war einmal (1989), Feuerland (1992), Mein Hund, meine Sau, mein Leben(1994) mit obsessiver Beharrlichkeit kreist. Wie diese ist auch der Hinreissende Schrotthändler -- so die vom Autor gewünschte Titelschreibweise -- gnadenlos komisch und todernst zugleich.
Als Autor ist der studierte Theologe Stadler eine Art Grabredner, seine Romane "Vergegenwärtigungen" von längst verschwundenen Orten und Menschen. Die Kirche ist nicht mehr im Dorf, die Love-Parade hat die Fronleichnamsprozession ersetzt. "Vom Ficken hätte ich sprechen können, das war nun möglich, ein gesellschaftsfähig gewordenes Wort, nicht aber von Gott." Die Menschen, denen der "promovierte Träumer" in der Landschaft seiner Kindheit begegnet, haben Sterbeversicherungspakete und rollen in safaritauglichen Geländewagen auf den alten Heuberg.
Was auch immer er sucht -- hier wird er es gewiß nicht mehr finden: "Die Heimat wird immer weniger. Kein Ort, nirgends? Selbst seinen Heißhunger auf eine schwäbische "Seele", jenes "etwa 30 Zentimeter lange Speck-Salz-Gebäck in Form eines männlichen Geschlechtsteils" kann der am bürgerlichen Leben leidende Held kaum stillen. Stadlers Spottlust ist ebenso groß wie seine Trauer. Er erzählt uns über den Tod der Gemeinschaft, schliesslich über den Tod selbst. "Das Wort sterben war ein Fauxpas", schreibt der schlitzohrige Selbstzitator einmal, es habe "einen Schriftsteller den ich kannte, 20 000 Mark gekostet, weil der Tod im Titel vorkam".
Stadler selbst nannte seinen letzten, 1996 erschienenen Roman Der Tod und ich, wir zweiund ahnte: "Den Wilhelmine-Lübke-Preis kriegst du für dieses Buch nie!" Macht nix: Am 23. Oktober erhält Arnold Stadler im Staatstheater zu Darmstadt die höchste literarische Auszeichnung, die einem in der Bundesrepblik zuteil werden kann -- den mit 60 000 Mark dotierten Georg-Büchner-Preis 1999. --Niklas Feldtkamp -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.
Aus der Amazon.de-Redaktion
Vom Verschwinden der Heimat
Glatt könnten sie als Protagonisten von Schröders Neuer Mitte durchgehen: Der 42-jährige frühpensionierte Geschichtslehrer, Wirtssohn aus der süddeutschen Provinz, und seine Gattin Gabi, die hanseatische Handchirurgin. Seit zwanzig Jahren leben sie in ihrer Ehe, der "krisengeschüttelten Branche" schlechthin, nebeneinander her. "Sie sei für Schröder, sagte mir meine Frau. Ich war eingeschnappt, denn ich dachte, sie wäre für mich."
Als in jenen letzten Tagen der Ära Helmut Kohl auch für die in Köln lebenden Eheleute das Licht im "Darkroom" ihrer Liebe für immer verlischt, naht unerwarteter Besuch vom Balkan: Der hausierende Schrotthändler Adrian möchte ein Auto zum Ausschlachten. Da kein Gebrauchter zur Verfügung steht, räumt Adrian die Existenz des Lehrers aus: Er nimmt dessen Frau und Geld; der schwarz-rot-gold gestreifte Adidas-Trainingsanzug wird alsbald gegen ein Boss-Sakko getauscht.
Trotz Erpressung und Terror fühlt sich das Mittelstands-Paar von Adrian erotisch angezogen, man erwägt gar eine "Ehe auf Sandwich-Basis". Adrian ist es auch, der dem Vorruheständler und seiner Arztgattin rät, ihren Hochzeitstag in Überlingen zu verbringen, in dem Hotelbett, wo vor 20 Jahren alles begann.
Damit aber hat Stadler seinen Ich-Erzähler geschickt in jene literarische Landschaft zwischen Meßkirch und Bodensee verpflanzt, aus der er selbst stammt und um die schon seine Roman-Trilogie Ich war einmal (1989), Feuerland (1992), Mein Hund, meine Sau, mein Leben(1994) mit obsessiver Beharrlichkeit kreist. Wie diese ist auch der Hinreissende Schrotthändler -- so die vom Autor gewünschte Titelschreibweise -- gnadenlos komisch und todernst zugleich.
Als Autor ist der studierte Theologe Stadler eine Art Grabredner, seine Romane "Vergegenwärtigungen" von längst verschwundenen Orten und Menschen. Die Kirche ist nicht mehr im Dorf, die Love-Parade hat die Fronleichnamsprozession ersetzt. "Vom Ficken hätte ich sprechen können, das war nun möglich, ein gesellschaftsfähig gewordenes Wort, nicht aber von Gott." Die Menschen, denen der "promovierte Träumer" in der Landschaft seiner Kindheit begegnet, haben Sterbeversicherungspakete und rollen in safaritauglichen Geländewagen auf den alten Heuberg.
Was auch immer er sucht -- hier wird er es gewiß nicht mehr finden: "Die Heimat wird immer weniger. Kein Ort, nirgends? Selbst seinen Heißhunger auf eine schwäbische "Seele", jenes "etwa 30 Zentimeter lange Speck-Salz-Gebäck in Form eines männlichen Geschlechtsteils" kann der am bürgerlichen Leben leidende Held kaum stillen. Stadlers Spottlust ist ebenso groß wie seine Trauer. Er erzählt uns über den Tod der Gemeinschaft, schliesslich über den Tod selbst. "Das Wort sterben war ein Fauxpas", schreibt der schlitzohrige Selbstzitator einmal, es habe "einen Schriftsteller den ich kannte, 20 000 Mark gekostet, weil der Tod im Titel vorkam".
Stadler selbst nannte seinen letzten, 1996 erschienenen Roman Der Tod und ich, wir zweiund ahnte: "Den Wilhelmine-Lübke-Preis kriegst du für dieses Buch nie!" Macht nix: Am 23. Oktober erhält Arnold Stadler im Staatstheater zu Darmstadt die höchste literarische Auszeichnung, die einem in der Bundesrepblik zuteil werden kann -- den mit 60 000 Mark dotierten Georg-Büchner-Preis 1999. --Niklas Feldtkamp -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.
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k.A.
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