DIE TAUSCHBÖRSE

Goyito und das Böse

Verlag:
Europa Verlag Hamburg
Jahr:
2000
Seitenzahl:
384
ISBN:
9783203815541
Medium:
Hardcover
Sprache:
Deutsch
Anbieter:

Artikel angeboten seit:
08.03.2017
Tickets:
1
Zustandsbeschreibung
Schutzumschlag schwach berieben, innen alles in Ordnung, quasi wie neu
Artikelbeschreibung
Gregorio (auch "Goyito" gerufen) kommt behindert zur Welt, bleibt kleinwüchsig, der Vater unbekannt, die Mutter, eine Nebenerwerbsprostituierte, verkauft ihren Sohn an einen Zirkus, mit dem dieser jahrelang durch Spanien zieht, ehe Goyito nach Madrid geht, sich als Taschendieb und Bettler durchschlägt, Kommunisten bespitzelt, schließlich - durch Erbschleicherei zu Kapital gekommen - einen Pizzaservice gründet und zu guter Letzt damit reich und vermögend wird - diese Kürzestinhaltsangabe stimmt zwar faktisch, führt aber weitgehend in die Irre, da man sofort eine Anhäufung von sentimentalen Klischees zu erahnen meint und vielleicht fälschlicherweise diesen Band verfrüht wieder zuklappt.

Denn weit gefehlt: Fernando Royuelas Romanheld mag möglicherweise äußerlich an Oskar Matzerath in der "Blechtrommel" gemahnen, hat aber mit dem Werk von Günter Grass nichts gemein. Vielmehr erinnert das Buch an frühe Filme von Luis Bunuel, in welchen ebenfalls Blinde und Bettler - fern jeglicher politischen Korrektheit - oftmals als bösartige Menschen dargestellt werden, die nicht nur Opfer der Gesellschaft, sondern auch Täter sein dürfen. Grausamkeiten aller Art gehören folglich in diesem Roman zum spanischen Alltag, Niedertracht, Verrat, Prügeleien und gewaltsame Todesarten ebenso, Mitleid hingegen wird als Schwäche ausgelegt, als humane Dummheit. Eine durch und durch brutale Welt wird abgebildet, in welcher der Mensch nicht nur des Menschen Wolf, sondern - schlimmer und zynischer noch - der Mensch dem Menschen ein Markt ist.

Wer sich jedoch von den trostlos fatalistischen äußeren Umständen nicht abschrecken lässt, wird bei der Lektüre dieses Buches reich belohnt: Der Roman ist bestens spannend erzählt, kurzweilig zu lesen, voll prall geiler (Über-)Lebenslust, angefüllt mit Gaunern, Hurensöhnen, Freaks, und anderweitig exzentrischen Personen, durchzogen von Gerüchen und Geschmäckern, Angstschweiß und Exkrementen, bitteren Lebensweisheiten, süßen Träumereien. Der Ich-Erzähler Goyito empfindet sich sogar als doppelten Außenseiter, denn inmitten dieser literaturfernen Umwelt liebt er die Poesie. In den finstersten Stunden seiner Jahre beim Zirkus als eierfressendes Monstrum klammert er sich an ein paar Verse von Lorca, die ihm das Überleben sichern, denn nur "Verrückte, Hunde und Poeten" können am besten andere Welten erahnen, lebenswerte Utopien. Dem jungen spanischen Autor Fernando Royuela (Jg. 1963) ist mit diesem völlig unsentimental erzählten, dennoch reichlich pittoresken Roman gewiss ein großer literarischer Wurf gelungen - ein Buch jenseits aller politischen Korrektheit, bitter, böse, grausam, blasphemisch, fatalistisch, ausweglos, aber einfach herrlich zu lesen.

Fazit: Ein exzellentes Buch, aber nichts für zart besaitete Gemüter.

(Rezension von Otto Johannes Adler bei Ama...)
Schlagworte
invocavit, Roman, Spanien, /in6

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