Autor:
Verlag:
Enzyklopädie Leipzig
Jahr:
1958
Seitenzahl:
100
Medium:
Hardcover
Sprache:
Deutsch
Zustandsbeschreibung
gut; Ecken leicht angestoßen; Seiten nachgedunkelt; Eintragung auf Innenseite des hinteren Einbands; Nichtraucherhaushalt
Artikelbeschreibung
Vor einigen Jahren ging bei einer großen Tageszeitung ein Brief ein, der den Kulturredakteur nicht nur überraschte, Sondern ihn auch zu verweilen Nachdenken über die Problematik der Aneignung unseres nationalen literarischen Erbes bewog. Der Absender des Briefes hatte den Roman „Irrungen, Wirrungen“ von Theodor Fontane gelesen und wandte sich nach der ihm als Ärgernis erregend empfundenen Lektüre in tragisch komischer Verirrung entrüstet gegen den Autor, weil dieser, statt mit dem Briefschreiber die Poptrümmer der Großstadt, in der er wohnte, wegräumen zu helfen, vermeintlicher Weise irgendwo müßig herum sitze und-Anführungsstriche unten mit bürgerlicher Ideologie beladen“, wie es in dem Brief hieß-das wilhelminische Kaiserreich mit seinen Offizieren verherrliche. Gebe es denn keine Möglichkeit, so fragte der empörte Leser seine Zeitung, diesen Theodor Fontane das unnütze Handwerk zu legen, ja ihm einfach zu verbieten, derartige antidemokratische Machwerke zu verfassen? Der Redakteur, der erst meinte, seinen Augen nicht trauen zu können-wir einen Augenblick lang auch an einen etwas gesuchten Scherz dachte-, musste dann doch erkennen, dass er es mit einer recht ernsten Sache zu tun hatte. Ein Arbeiter, an dessen festem Willen, beim Wiederaufbau unseres schwer getroffene Landes mit aller Kraft mitzuhelfen, ebenso wenig zu zweifeln war wie an seiner ehrlichen Absicht, literarischen Einflüssen gegenüber, die der jungen Demokratie schaden könnten, wachsam zu sein, hatte bei der Lektüre von „Irrungen, Wirrungen“, dieser Liebesgeschichte einer jungen proletarischen Plätterin mit einem adligen Leutnant, Die Vorstellung gewonnen, dass es sich um ein erst jüngst entstandenes reaktionäres Buch handele. Er kannte also Theodor Fontane nicht, einen Schriftsteller, der zu den bedeutendsten bürgerlichen Realisten der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts gehört, und weiter er habe es mit einem zeitgenössischen Auto zu tun.
Schlagworte
Bildband, Literatur, Biografie
Kategorie
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren
Joseph Kiermeier-Debre
Tickets:
1
Peter Engel
Tickets:
1